Als Yogol seine Arbeit auf den Schlachtfeldern ganz Lischaus beendet, auch die letzte Seele in sich aufgenommen hatte und schließlich vollständig als jüngster Sohn Lischas auf Lischau weilte, setzte er sich müde und erschöpft auf einem Felsen nieder. Müde von den nicht enden wollenden, heimatlosen Seelen der Opfer der Dämonenkriege, müde von der Trauer der Hinterbliebenen, die ihn dabei stets umgeben hatten, und erschöpft von der schweren Aufgabe, die Lischa selbst ihm aufgetragen hatte. Während seine Schwester Vilara beim Neugestalten der Natur und der Kreaturen die Unterstützung von Magiern hatte und sein Bruder Karan etliche Gefolgsleute zur Verteidigung der Gerechtigkeit um sich scharte, war Yogol stets alleine mit der Trauer, den Tränen, dem Leid und dem grausamen Anblick verstümmelter Leichen. Einsamkeit breitete sich aus um ihn und den Felsen, er sehnte sich danach, sterblich zu sein, Frauen zu haben, kaltes Bier zu trinken. Doch er war Lischas Sohn und hatte eine Aufgabe. Nachdem Yogol viele Tage regungslos und alleine auf dem Felsen verbracht hatte, ballte er seine Faust und erhob sich, entschlossen dazu, die Gesellschaft Sterblicher zu suchen und zu finden. Sterbliche, die ihn einen Teil seines Weges begleiten sollten – bis eben auch sie sterben würden und er ihre Seelen in sich aufnehmen würde. Viele weitere Tage wanderte er auf verlassenen Wegen, immer umgeben von der Stille und der Einsamkeit des Todes, doch er rastete nie, Entschlossenheit und Sehnsucht trieben ihn voran. Eines Morgens passierte er schließlich die Palisaden Schwertbergs, und er fand sich wieder inmitten von Menschen, die sich mit dem Wiederaufbau der zerstörten Stadt neue Hoffnung erarbeiteten Eine wunderschöne, junge Frau, die einen Korb mit Brennholz vor ihrem Körper trug, kreuzte seinen Weg, und er sprach sie an: “Was kannst Du mir bieten, dass ich Dich zu meiner Weggefährtin mache und Dich mit in meine Welt nehme?“. Sie lächelte ihn an und antwortete: „Ich bin hübsch, ich biete Dir meine Schönheit.“
Yogol betrachtete sie, sah ihre Schönheit welken und sie zu einer alten, gebrechlichen Frau werden. Er schüttelte den Kopf. „Scdhönheit vergeht, ziehe weiter Deines Weges.“ Und so zog auch er weiter durch die beschädigten Gassen der heruntergekommenen Stadt. Er traf auf einen kräftigen und gut gerüsteten Krieger, der mit seinem stolzen Blick ihm entgegen schritt. Yogol sah ihm in die Augen und fragte: „Was kannst Du mir bieten, dass ich Dich zu meinem Weggefährten mache und Dich mit in meine Welt nehme?“ Der Krieger sah Yogol mit würdevoller Miene an und antwortete: „Ich bin stark, ich biete Dir meinen Schutz.“
Yogol musterte ihn, sah seine Kraft vergehen und ihn zu einem verkrüppelten Greis werden. Er schüttelte den Kopf. „Körperkraft vergeht, ziehe weiter Deines Weges.“ Und auch Yogol setzte seinen Weg fort Viele Tage wanderte der jüngste Sohn Lischas durch Schwertberg, sah den Menschen zu, wie sie ihre Stadt heilten, sprach mit ihnen, um dann enttäuscht weiter zu ziehen. Denn er sah sie alle sterben, ihre Jugend vergehen, ihre Seelen in sich selbst spurlos verschwinden. Eines Abends setzte sich Yogol in der Nähe des Marktplatzes nieder, um seinen Entschluss zu überdenken. War es ein Fehler, die Gesellschaft Sterblicher zu suchen? Seine Geschwister taten dies doch auch, Vilara unterrichtete junge Magier und Karan lehrte vielen tapferen Kämpfern die Gerechtigkeit. Nur ihm selbst konnte keiner folgen, er war der Tod Als Yogol bis tief in die schwarze Nacht hinein erneut regungslos seinen traurigen Gedanken nachging, wurde seine Aufmerksamkeit auf den Schein zweier tanzenden Flammen gelenkt. Er blickte in die Dunkelheit und nach kurzer Zeit konnte er einen Mann und eine Frau in bunten und fliegenden Gewändern sehen, hörte ihr Lachen. Sie warfen sich Fackeln zu und sprangen herum vor Freude. Als sie tanzend, singend und kichernd näher kamen, erhob sich Yogol verwundert. So viel Lebensfreude und Fröhlichkeit hatte er noch nicht erlebt, erblickte er doch das Licht der Welt in der dunkelsten Stunde Lischaus. Das Paar kam vor Yogol zum Stehen, und er sah im Schein der Fackeln, dass die beiden ihre Jugend schon sehr lange hinter sich gelassen haben mussten. Lachfalten umspielten ihre Augen und Lippen, und die Haut war trotz des Alters rosig.
„Was tut ihr hier in dieser schweren Zeit?“ fragte er, und die Frau antwortete: „Wir sind Gaukler und möchten aus Deinem traurigen Gesicht ein Lachen machen.“ Und der Mann sagte: „Wir sind Johanna und Josef, und wir hörten von Deiner Suche nach Weggefährten. Wir bieten Dir an, jedem Trauernden, jedem Sorgenvollem und jedem Einsamen etwas von unserer Fröhlichkeit und Lebensfreude zu schenken.“ Yogol betrachtete die Gaukler, und er sah, dass ihre Fröhlichkeit und ihr Lachen niemals starb, dass es auf andere übersprang und dadurch immer stärker und unsterblich wurde. Und Yogol begann zu lachen. Dieses Lachen veränderte ihn, und so machte er Yohanna und Yosef zu seinen ersten Priester und baute mit ihrer Freude und Fantasie den Zirkus, damit alle Seelen das Lachen der Gaukler für immer in sich tragen konnten.